Mit einer Fläche von 505.370 km² ist Spanien das viertgrößte europäische Land nach Russland, der Ukraine und Frankreich und hat eine Bevölkerung von 46 Millionen Einwohnern. Das Bruttoinlandsprodukt der spanischen Wirtschaft positioniert das Land auf den Platz 13 im globalen Ranking mit insgesamt 1.200 Mrd. EUR (vgl. Deutschland 3.130 Mrd. EUR).
Vor Stierkampf und Paella ist die Haupteinnahmequelle des Landes nach wie vor der Tourismus. International ist es das am dritthäufigsten besuchte Land der Welt mit 75,3 Millionen Touristen im Jahr 2016.
Man hört immer wieder den englischen Satz, mit dem typischen starkem spanischen Akzent ausgesprochen: „Spain is different“. Je länger man hier lebt, desto mehr Gelegenheiten hat man die Wahrheit hinter diesem Satz zu erleben. Das gilt für die Gastronomie und den Tourismus genauso, wie für die Möbelbranche.
Spanische Möbelindustrie
Mit der Krise (im spanischen „la crisis“) hat die Anzahl der Möbel Produzenten deutlich abgenommen. Frei nach der darwinistischen Entwicklungstheorie und dem „Survival of the fittest“, hat sich der Markt und seine Marktteilnehmer gewandelt. Viele sind verschwunden, einige konnten selbst in der Krise ein Wachstum nachweisen.
Für uns in Spanien ist klar, das verarbeitende Gewerbe, damit auch die Möbelbranche schafft Arbeitsplätze und diese sind existenziell für die spanische Wirtschaft. Es braucht Arbeitsplätze die auch im Winter bestehen.
Wo früher noch manuell in Schreinereien produziert wurde, werden heute Möbel mit den modernsten Fertigungskonzepten hergestellt. Jetzt wo es wirtschaftlich wieder bergauf geht, gibt es wieder Marktchancen. Doch den Schritt in die Rendite schaffen nur Unternehmen, welche jetzt in die neuste Verarbeitungs-Technologien investieren. Es schaffen dies nur die effizienten „angepassten“ Unternehmen, die sich hin zur Industrie entwickeln.
Der spanische Möbelmarkt ist bekannt für seinen barocken und kolonialen Möbelstil. Heute sind die Möbel viel moderner, luftiger, mit aktuellem Design, mit neuen Materialen und der neuesten Technologie gefertigt. Vom kleinen Schreiner bis zur innovativsten Fabrik, die mit zunehmend automatisierten Fertigungssystemen produzieren, streben alle nach Effizienz, Produktivität und der Vermeidung von Fehlern in ihren Prozessen.
Nach einer 10 Jährigen Kriese wächst der spanische Möbelmarkt wieder.
Schon das dritte Jahr in Folge, steigt für die Spanischen Möbelhersteller der Umsatzauf gesamt 4.227 Millionen Euros (2016) an. Dies entspricht einer Steigung zum Vorjahr von 5,9%. Dies zeigt, der Markt erholt sich langsam, die Zahl der Beschäftigten steigt. Ein frischer Wind weht durch die Möbelbranche, der private Konsum steigt, auch der Immobilienmarkt erholt sich. Damit haben wir nach 10 Jahren im Möbelsektor wieder eine Wachstumsrate von über 6% zum Vorjahr. Mit diesen Erfolgszahlen erhalten die Unternehmen auch wieder leichteren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Endlich kann der Investitionsstau aufgehoben werden.
Industrieunternehmen müssen ihre Verkaufsart ändern und die digitalen Medien und Veränderungen nutzen, um ihre Umsätze zu steigern.
Die Idee von Industrie 4.0 ist hier in Spanien angekommen und wird nun direkt umgesetzt. Die Wirkung und die Funktion der Digitalisierung der Prozesse und Abläufe sind in allen Bereichen der Möbelindustrie zu beobachten. Ein Beispiel ist die junge Firma Avantarea die 2016 gegründet wurde und im valencianischen Vall d´Uixó zu Hause ist (besuchen Sie www.avantarea.com). Sie richtet Ihre neue Produktion kompromisslos auf die digitale Fertigung ausrichtet. Für den Vertrieb der Möbel wird hauptsächlich auf den Onlineverkauf gesetzt. Die sehr breite Material- und Dimensions-varianz der angebotenen Möbel sind das zentrale Mittel, um den Kunden die gewünschten individuellen Möbel zu bieten.
Avantarea, setzt die modernste Technik ein
Das Produktportfolio von Avantarea umfasst Küchen, Schränke, Bad- und Wohnzimmermöbel, und hat die Ziele für die neue Produktion sehr hoch gesteckt. In 8 Monaten soll die Produktion auf die grüne Wiese gebaut werden und in 3 Monaten muss die ganze Möbelpalette digital erfasst und von der Bestellung (Internet) über die Auftragserfassung in die Produktion gelangen. Für dieses Unternehmen, das alles von Null aufbauen will, ist die Umsetzungsgeschwindigkeit entscheidend. Der schnellere Auftritt und die breite Präsenz am Markt bot die Chance den Mitbewerbern gleich einen Schritte voraus zu sein. Somit war der enge Zeitplan für den Markteintritt entscheidend. Wie wichtig dieses Tempo für das Unternehmen war, zeigt die aktuelle Auslastung der Produktion von 80% nach nur 6 Monaten. Jede Verzögerung wäre unnötig verlorener Umsatz gewesen.
„Wir brauchten ein funktionierendes System aus Maschinen und Software, wir setzten bewusst auf die Homag-Group mit deren zuverlässigen Lösungen und entsprechendem Service. Wir wurden am Ende mit einer schnellen, professionellen und effizienten Umsetzung unseres Projektes belohnt.“ Freut sich Alejandro Ferrando, Geschäftsführer des jungen Unternehmens.
Die Geschäftsleitung hatte entschieden, sich für die Konzeption und die Umsetzung unterstützen zu lassen. Mit diesen äußerst kurzen Vorgaben durfte es keine Experimente oder Fehlentscheidungen geben. Hierbei war das direkte Zusammenspiel von Software und Maschinen entscheidend, was die Homag-Group garantieren konnte.
In der Rekordzeit von 3 Monaten wurde eine komplette Fertigung von der Auftragserfassung über Stücklisten, Stammdaten, mit der flexiblen Teilefertigung und inklusive Montage und Versand aufgebaut. Damit diese Rekordleistung zu Stande kam, war ein reibungsloses Zusammenwirken aller Beteiligten nötig. Dazu wurde dieses Projekt in mehrere Schritte aufgeteilt:
- Planung der Fertigung mit optimiertem Materialfluss
- Pflichtenheft erstellen und evaluieren der Maschinen
- Rasches bestellen der Maschinen
- Softwareschulung der Mitarbeiter
- Datenkonzept und Stammdaten erstellen
- Füllen der Datenbanken
- Aufbau des Verkaufstools für die Filiale und für den Internet-Shop
Nach der Layoutplanung der Produktion konnten die Maschinen rasch bestellt werden. Noch während deren Lieferzeiten und dem Ausbau des Gebäudes, wurde die Software Schulungen durch das SCHULER-Team bei Avantarea vor Ort durchgeführt. Neben dem Projektteam aus der Arbeitsvorbereitung war auch das Management mit dabei. Für das Management war es wichtig fundierte Einblicke in die Software zu erhalten, um spätere weitere Projekte und Möglichkeiten der Software besser abschätzen zu können. Entscheidend war, dass wir dem Kunden direkt die Datenkonzepte, die nötigen Parameter und die Schnittstellenbeschreibungen vorschlagen konnten. In wenigen Stunden wurde über Details entschieden und das Füllen der Datenbanken konnte parallel, von den Mitarbeitern und von uns gestartet werden. Somit wurden in der Schulung bereits die echten Daten für die neue Produktion generiert.
Die Daten waren alle bereit, als die Maschinen aufgestellt wurden. Alle technischen Verbindungen waren vorbereitet und die Maschinen konnten schnell mit den zugehörigen Anschlüssen verbunden werden. Während der Inbetriebnahme durch den Maschinenhersteller, wurden gleichzeitig die Daten an der Maschine konfiguriert und getestet. Mit der Maschinen Abnahme, war das komplette Produktionssystem für den Einsatz bereit.
Verkauf der Möbel über das Internet
Das Datenkonzept beginnt nicht wie bei „normalen“ Produzenten in der Arbeitsvorbereitung, sondern beim Verkaufstool im Internet. Avantarea setzt auf eine komplette Software Lösung vom Shop zur Maschine. Über den Internetshop wählt der Kunde aus einer grossen Auswahl von verschiedenen Möbeln mit Designvarianten direkt sein gewünschtes Möbel aus. Er bestellt und bezahlt dies dann über den „Warenkorb“. Entsprechend wird dieser Auftrag dank dem durchgängigen Datenmodell in die Arbeitsvorbereitung übernommen und in Produktion gegeben.
Im benachbarten Castellón wurde eine eigene Verkaufsfiliale eingerichtet, auch hier wird dasselbe Datenmodell verwendet. Die Auftragsdaten werden mit allen Variablen erfasst, an die Arbeitsvorbereitung weitergegeben und können direkt weiter verwendet werden. Zu diesem Zweck wurde in Zusammenarbeit mit den SCHULER-Spezialisten ein flexibler Produktkatalog erstellt. Dieser basiert auf den Stammdaten und den standardisierten Produktdefinitionen. Es wurden alle Rohmaterialien, Konstruktionsteile und Produkte mit einem Code definiert, wie auch die Möbel mit klaren Konstruktionsregeln definiert. Es sind natürlich auch Sondermöbel erhältlich, diese werden mit dem gleichen Datenmodell erfasst. Die Erfassung dieser Sondermöbel oder Sonderkonstruktionen konnte durch simple, logische und dokumentierte Konstruktionsregeln deutlich reduziert werden. Die standardisierten Konstruktionsregeln erlauben später eine schnellere Durchlaufzeit und reduzieren die Fehlerquellen in der Arbeitsvorbereitung, Produktion bis hin zur Montage. In der Arbeitsvorbereitung ist die Bearbeitungszeit je Auftrag nun durchschnittlich unter 60 Minuten. Aktuell liegt die Lieferzeit nach einer Online-Bestellung dank der kurzen Durchlaufzeit bei 15 Tagen.
Für den Datenaufbau und die Sonderkonstruktionen zeichnen die Produktdesigner die Möbel in der CADCAM-Software. Hier bündeln sich die technischen Zeichnungen, 3D-gerenderten Ansichten und Produktionsdaten. Automatisch werden die Daten für die Zuschnittoptimierung und das Bearbeitungszentrum generiert. Mit Hilfe der Optimierungssoftware werden Zuschnitt Pläne für die Plattensäge generiert, die das Plattenmaterial optimal ausnutzen, den Verschnitt minimieren und die Bearbeitungszeit der Säge optimieren. Die Übermittlung der Daten der Fertigunspulks (gleiche Farben und Konstruktionen werden gemeinsam produziert) erfolgt per Mausklick. An der Säge werden alle fertigungsrelevanten Informationen je Teil und für die nachfolgenden Bearbeitungen auf ein Klebeetikett angedruckt.
Das Etikett wird zur späteren Teileidentifikation wie auch als Parameter-Träger für die weiteren Bearbeitungen verwendet. In diesem Unternehmen wird ein 2D - Barcode eingesetzt, was einig Vorteile bietet: Zum einen nimmt er weniger Platz auf dem Etikett ein, zum anderen ist er flexibler und schneller zu lesen, egal aus welcher Richtung. Damit können weit mehr unterschiedliche Parameter „gespeichert“ werden. So erhält die Kantenleimmaschine alle nötigen Masse des Teils, wie Farben, Kantenbild und Bearbeitungen. Weiter erhält die flexible 5-Achs-Barbeitungscenter alle Daten um den Mitarbeiter beim Rüsten der Maschine direkt zu unterstützen. Avantarea bietet seinen Kunden eine breite Auswahl von ganz unterschiedlichen Fronten an, zum Beispiel, Hochglanzfronten mit Laser-Gravuren, 3D- oder Relief-Fronten, Fronten im Direktdruckverfahren. Das Material dafür kommt von spanischen Zulieferern und Herstellern. Auch für diese Zulieferteile sind die Materialien in den Stücklisten hinterlegt. In einem Workshop mit den verantwortlichen Mitarbeitern der Arbeitsvorbereitung und der Produktion konnten alle für die Fertigung, die Montage wie auch den Versand relevanten Informationen definiert und aufgebaut werden. SCHULER übernahm hierbei die Aufgabe der Konfiguration, so dass heute alle Fertigungslisten, Etiketten, Daten sauber vom System auf Knopfdruck generiert werden. Alejandro Ferrando unterstreicht die Zuverlässigkeit des gewählten Systems: „Die absolute Präzision ist beeindruckend, jedes Teil passt perfekt. Dafür sind uns die Monteure und natürlich die Endkunden dankbar.“
Avantarea ist vorbereitet für die nächsten Schritte in Richtung Industrie 4.0 und weiß schon jetzt wie es weitergehen soll. Der durchgängige Informationsfluss soll erweitert werden mit einer Software zur Erfassung der realen Arbeitszeiten pro Auftrag für die Nachkalkulation. Weiter fehlt jetzt noch die Auftragsüberwachung mit einer Vollständigkeitskontrolle für alle Teile einer Kommission. Dies konnte nicht alles in so kurzer Zeit gleichzeitig aufgebaut und eingeführt werden, die Mitarbeiter wären mit all den neuen Systemen überfordert gewesen. Deshalb sind diese weiteren Schritte im Konzept angedacht und die Schnittstellen vorbereitet. Als nächster Schritt wird dann auch das automatische Plattenlager beschafft, damit die Materialien flexibel kommissioniert und die Bestände überwacht werden können. Der dazu nötige Platz und das Datenmanagement wurden im Entwicklungsplan berücksichtigt und vorbereitet.
Die aktuellen Veränderungen auf dem Spanischen Markt zeigen gerade deutlich auf, was es nach einer „Krise“ braucht um rasch wieder am Markt Fuß fassen zu können und erfolgreich die Produktion starten zu können. Hier in Spanien haben alle am eigenen Leib erfahren wie man aus der Krise kommt. Also lernen wir doch von denen, die diese bereits überlebt haben.
Text und Fotos: SCHULER (Maria Garcia)
„Im CADCAM-System verwalten wir unsere Aufträge direkt in der Bibliothek und verknüpfen diese mit dem Kundennamen und Fertigungsdatum. Wir kennen bei jedem Auftrag die Materialkosten des Plattenmaterials und der Zukaufteile.“Aida Monteagudo, Leiter der Arbeitsvorbereitung